Zwischenbilanz der grün-roten Landesregierung

Bilkay Öney: Von Vielfalt geprägt

Baden-Württemberg ist wie kein anderes Flächenland von Vielfalt geprägt. Mehr als jeder vierte Einwohner hat einen Migrationshintergrund. Das Land ist für viele Vertriebene, Arbeitsmigranten, Flüchtlinge und Spätaussiedler zur Heimat geworden und hat von der Vielfalt profitiert. Die Menschen integrieren sich im Südwesten vor allem über den Arbeitsmarkt. Das war und ist sehr gut für die Leistungsfähigkeit unseres Landes.

Allerdings ist auch in Baden-Württemberg Chancengerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe noch nicht alltäglich. Immer noch sind Zuwanderinnen und Zuwanderer stärker von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen, immer noch haben Kinder aus Migrantenfamilien größere Schwierigkeiten beim Übergang von Schule zu Beruf, immer noch vergeuden wir Potenziale gut ausgebildeter Menschen aus dem Ausland.

Die vielzitierte „Willkommenskultur“ muss in den Köpfen und Herzen der Menschen ankommen. Das kann ein Integrationsministerium nicht verordnen. Aber wir können die Rahmenbedingungen so setzen, dass Teilhabe besser funktioniert, dass Hürden verschwinden, dass die Motivation zur Integration zunimmt. Daran arbeiten wir.

Einbürgerung erleichtert

Gleich zu Beginn meiner Amtszeit habe ich die Einbürgerungspraxis im Land liberalisiert. So erlauben wir den Doppelpass, wenn die Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit besonders schwierig ist. Zudem haben wir einen Gesetzentwurf zur generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit und zur Abschaffung der Optionspflicht in den Bundesrat eingebracht.

Studien belegen, dass von der Einbürgerung starke Integrationsimpulse ausgehen: Eingebürger te erreichen höhere Bi ldungsabschlüsse, sind erfolgreicher auf dem Arbeitsmarkt und erzielen höhere Einkommen. Deshalb haben wir eine Einbürgerungskampagne gestartet und werben unter www.mein-deutscher-pass.de für die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die vielzitierte Willkommenskultur muss in den Köpfen und Herzen der Menschen ankommen.

Auch in der Flüchtlingspolitik setzt die grün-rote Landesregierung neue Akzente. Angesichts steigender Asylbewerberzugänge hat mein Haus den Stadt- und Landkreisen mehr Flexibilität ermöglicht. Diese können nun Wohnungen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften anmieten. Zudem wird das novellierte Flüchtlingsaufnahmegesetz die Lebensverhältnisse von Asylbewerbern verbessern und Beratung, Bildung und psychosoziale Betreuung stärken. Mehrbelastungen gleichen wir über höhere Erstattungspauschalen an die Kreise aus, die wir 2016 überprüfen. Neben dem Flüchtlingsaufnahmegesetz beschäftigt mein Haus das Landesanerkennungsgesetz. Baden-Württemberg braucht Fachkräfte. Ein Weg, um das Potenzial von Zuwanderinnen und Zuwanderern besser zu nutzen, ist die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Wir bringen noch in diesem Jahr ein Landesanerkennungsgesetz in den Landtag ein.

Die Politik des Gehörtwerdens findet sich auch beim Thema Integration wieder. Ein gutes Beispiel hierfür ist der von mir ins Leben gerufene „Runde Tisch Islam“. Inzwischen trägt der Dialog mit den Muslimen erste Früchte: Sowohl der Impuls für die Änderung des Bestattungsrechts als auch der Impuls für die Ausweitung des islamischen Religionsunterrichts kamen aus diesem Gremium.

Uns ist auch bewusst: Integration geschieht vor Ort. Deshalb fördern wir die gute Arbeit in den Kreisen, Städten und Gemeinden und stellen dafür 3,2 Millionen Euro zur Verfügung. Mein Haus unterstützt die Kommunen zum Beispiel bei der der Erarbeitung und Weiterentwicklung von Integrationsplänen und -konzepten sowie bei der Bekämpfung von Diskriminierung.

Letzteres ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen. Das Integrationsministerium fördert beispielsweise die Präventionsarbeit in den Schulen und hat eine Vernetzungs- und Anlaufstelle gegen Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus eingerichtet. Wir unterstützen auch den Einsatz gegen Zwangsverheiratung und Gewalt im Namen der sogenannten Ehre. Zusammen mit Arbeitgebern erproben wir zudem anonymisierte Bewerbungen.

Interkulturelle Öffnung der Verwaltung

In den kommenden zweieinhalb Jahren werden wir uns verstärkt für die interkulturelle Öffnung der Verwaltung einsetzen. Unser Land ist vielfältig, das soll sich auch in den Behörden widerspiegeln. Interkulturelle Öffnung und Kompetenz ist ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit und zu einer leistungsfähigen Verwaltung. Zusammen mit dem Volkshochschulverband bieten wir bereits Schulungen an.

Auch Unternehmen, Verbände und Vereine profitieren davon, sich interkulturell zu öffnen. Gerade vom Ehrenamt gehen wichtige Integrationsimpulse aus. In einem Modellprojekt arbeiten wir mit dem Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes zusammen. Unser Ziel ist es, mehr Migrantinnen und Migranten für die Arbeit im DRK zu gewinnen.

All’ diese Erfahrungen werden uns auch dabei helfen, ein Partizipationsund Teilhabegesetz auf den Weg zu bringen. Dieses soll Ziele und Maßnahmen konkretisieren, damit sich alle hier lebenden Menschen mit ihren Potenzialen einbringen können.