Anonymisierte Bewerbungsverfahren ermöglichen Chancengleichheit

Veröffentlicht am 23.10.2014 in Landespolitik

„Anonymisierte Bewerbungsverfahren ermöglichen Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Zu diesem Ergebnis kommen sowohl Personalverantwortliche als auch Bewerbende gleichermaßen“, erklärte Integrationsministerin Bilkay Öney gestern bei der Vorstellung der Ergebnisse eines baden-württembergischen Modellprojektes.

An der Präsentation nahmen auch Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, sowie Stefan Bürkle, Geschäftsführer der Firma Bürkle + Schöck Transformatoren GmbH, teil.

Das Ministerium für Integration hatte 2013 mit dem Modellprojekt an eine Initiative der Antidiskriminierungsstelle des Bundes angeknüpft. Insgesamt elf Unternehmen und Verwaltungen aus Baden-Württemberg haben sich an dem Projekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren beteiligt. Das Institut zur Zukunft der Arbeit (Bonn) hat Bewerbende und Personalverantwortliche begleitend befragt und die Ergebnisse in einer wissenschaftliche Studie festgehalten.

Die Hälfte der Bewerbenden gab an, bereits selbst Diskriminierungen in Bewerbungsverfahren erlebt zu haben – sei es aufgrund des Alters, des Geschlechts oder der Herkunft. Wer sich bereits selbst diskriminiert gefühlt hatte, fand demnach anonymisierte Bewerbungsverfahren gut.

Mehr als 60 Prozent der Personalverantwortlichen gaben bei der Befragung an, dass bei herkömmlichen Bewerbungen die personenbezogenen Informationen mindestens „etwas Einfluss“ auf die Personalauswahl haben können. „Damit bestätigt die Studie, dass in die herkömmliche Bewerberauswahl subjektive Eindrücke einfließen und somit auch eine Rolle spielen, wenn es darum geht, wer zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird“, sagte die Ministerin.

Im Rahmen des Modellprojektes machten die Personalverantwortlichen eine weitere Beobachtung: Verglichen mit nichtanonymisierten Ausschreibungen ging zwar die Zahl der Bewerbungseingänge zurück, jedoch stieg gleichzeitig die Qualität der Bewerbungen an. Außerdem, so die Personaler, werde der Auswahlprozess durch den Einsatz standardisierter Bewerbungsbögen beschleunigt. Es seien nur die für die konkrete Stelle relevanten Daten zu Qualifikation, Berufserfahrung und fachspezifischen Fortbildungen zu bewerten.

„Die Studie zeigt, dass es auch gute betriebswirtschaftliche Argumente für standardisierte anonymisierte Bewerbungsverfahren gibt. Denn der auf die Qualifikation fokussierte Auswahlprozess spart Zeit und Geld. Außerdem ist das Verfahren für Arbeitgeber eine moderne und effiziente Möglichkeit, um Transparenz, Objektivität und Chancengerechtigkeit bei der Personalauswahl zu steigern. Diesen Aspekt kann eine Firma wiederum nutzen, um sich am Markt als offenes und Vielfalt förderndes Unternehmen zu positionieren“, so Öney.

Für Stefan Bürkle, Geschäftsführer der Firma Bürkle + Schöck Transformatoren GmbH, sind anonymisierte Bewerbungsverfahren ein gutes und zukunftssicheres Instrument zur Personalrekrutierung.

„Für unseren Betrieb war das Modellprojekt ein voller Erfolg. Das anonymisierte Verfahren hat sich in der Praxis schnell bewährt. Wir gewinnen damit eine bessere Objektivität bei der Auswahl zum Bewerbungsgespräch. Davon profitieren wir als Arbeitgeber und leisten auch gleichzeitig einen guten Beitrag zu einer fairen Integration“, so Bürkle.

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, nannte das Projekt einen großen Erfolg: „Anonymisierte Bewerbungsverfahren haben damit einen weiteren Praxis-Test mit Bestnote bestanden.“ Insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Südwesten hätten gezeigt, dass sie „keine Scheu vor innovativen Instrumenten zur Gewinnung von Spitzenpersonal haben“.

Lüders wies darauf hin, dass anonymisierte Bewerbungsverfahren in Deutschland auf zunehmendes Interesse stoßen: „In Berlin und in Rheinland-Pfalz laufen derzeit Pilotprojekte, auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben Testläufe angekündigt.“

Dies zeige, dass Personaler anonymisierte Bewerbungsverfahren immer mehr als Alternative im Bewerbungsverfahren sähen. „Weil hier das Wichtigste zählt, was Bewerbende auszeichnet: die Qualifikation.“