vorwärtsEXTRA: Vier Fragen an Lothar Binding

Veröffentlicht am 24.05.2013 in Bundespolitik

Das Thema Steuerflucht ist nicht erst seit dem Bekanntwerden des Falls Hoeneß ein großes gesellschaftliches Thema. VorwärtsEXTRA sprach mit Lothar Binding, Mitglied des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag.

1. Der Fall Hoeneß bewegt die Öffentlichkeit. Wie konnte es zu einer Steuerhinterziehung dieses Ausmaßes kommen?

Lothar Binding: Neben schlechter Regulierung und fehlender Transparenz der Finanzströme, ist die stillschweigende neoliberal geprägte Akzeptanz von Steuerhinterziehung eine Hauptursache. In Deutschland ist sie eine Straftat - in der Schweiz wird sie allenfalls als Kavaliersdelikt gesehen. Bei einem strikten Bankgeheimnis sowie einem Mangel an grenzüberschreitender Amtshilfe lockt sie deshalb Geld aus anderen Ländern an.

Der „Fall“ Hoeneß ist spektakulär in Folge seiner früheren medienwirksamen moralischen Selbstüberhöhung, aber daneben stehen fast 50.000 weitere Selbstanzeigen. Dies war nur möglich, weil selbst im Bundestag lange der Eindruck vermittelt wurde, es handele sich um Kavaliersdelikte und in dem CDU/ CSU und FDP einen Generalverdacht unterstellten, wenn die Worte Bankgeheimnis, Transparenz, automatischer Informationsaustausch und Regulierung fielen.

2. Durch welche politischen Maßnahmen lässt sich Steuerflucht zukünftig verhindern?

Binding: Steuerschlupflöcher, insbesondere die von der schwarz-gelben Regierung geöffneten, müssen geschlossen werden. Dazu gehören u. a. grenzüberschreitende Gestaltungen, die es ermöglichen den Gewinn auf Null zu reduzieren. Wichtig ist zudem eine Außenpolitik, die der strukturellen Dissonanz zwischen nationaler (Steuer) Gesetzgebung und globalen Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmärkten gerecht wird. Dies bedarf interkultureller Kompetenz als außenpolitischer bzw. diplomatischer Vorbereitung, die weder der Führung des Außenministeriums noch der des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gelungen ist.

Leistungen des Staates, wie Bildung, innere Sicherheit, Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, öffentliche Daseinsvorsorge u. a., müssen die Höhe der Steuerzahlungen, auch im internationalen Vergleich, rechtfertigen. Erforderlich ist zudem ein grenzüberschreitender Informationsaustausch, vergleichbare Bemessungsgrundlagen und Steuersätze in einem multilateral definierten Korridor.

3. Die SPD hat ein eigenes Steuerreformkonzept zur Bundestagswahl entwickelt. Was sieht dieses vor?

Binding: „Starke Schultern sollen mehr tragen als schwache“ – bei einem Durchschnittseinkommen unter 30.000 Euro pro Jahr, soll der Grenzsteuersatz in der Einkommensteuer ab einem Einkommen von 64.000 Euro etwas angehoben werden, ab 100.000 Euro gilt dann ein Spitzensteuersatz von 49 %. Verdient jemand mehr als das Doppelte des Durchschnittseinkommens, also z.B. 64.000 Euro pro Jahr, wird er künftig etwa 3 Euro pro Monat mehr bezahlen müssen. Die Vermögensteuer ist mit einem Blick auf unverschuldetes Privatvermögen in Höhe von 10.000 Milliarden Euro – betriebliches Vermögen kommt noch hinzu – mit einer Dimension von unter 0,1 % sehr gering. Es wird hohe Freibeträge geben und eine Kombination mit der Erbschaftsteuer ist denkbar. Die Kapitalertragsteuer werden wir von 25% auf 32% erhöhen.

4. Welche Rolle spielt eine gerechte Steuerpolitik für die Gesellschaft?

Binding: Neben der sozialen Komponente: Je ungerechter ein Steuersystem, umso geringer seine Akzeptanz. Je geringer die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber ihrem Steuersystem, um so größer das Bemühen es zu umgehen, Schlupflöcher zu suchen, Einkommen in Gebiete geringerer Steuern zu verlagern.


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