SPD kritisiert Ablehnung eines NS-Dokumentationszentrums durch die Landesregierung

Veröffentlicht am 22.04.2010 in Landespolitik

Fraktionsvize Nils Schmid: „Der Eindruck drängt sich auf, dass Mappus an der Aufarbeitung der NS-Geschichte gar nicht interessiert ist“

Die SPD-Landtagsfraktion kritisiert die schroffe Absage von Ministerpräsident Mappus an ein zentrales NS-Dokumentationszentrum in Stuttgart auf einen SPD-Antrag. Der Fraktionsvize und designierte SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid wirft dem Regierungschef vor, er beschönige die Forschungssituation in Baden-Württemberg zur Aufarbeitung der Geschichte der staatlichen Herrschaft in der NS-Zeit in Baden und Württemberg und verschließe zudem die Augen vor den neuen Entwicklungen im Gemeinderat der Landeshauptstadt.

Nils Schmid will das strittige Thema im Mai im Finanzausschuss des Landtags auf die Tagesordnung setzen und damit den Druck auf die Landesregierung verstärken.

Mappus begründete sein Nein in seiner Antwort auf die SPD-Initiative mit dem Hinweis darauf, dass an den Hochschulen im Land bereits „intensive und produktive Forschung und Lehre“ und an den dezentralen Gedenkstätten eine „breite Forschung zur Regional- und Lokalgeschichte im Dritten Reich“ betrieben werde. Nach Ansicht von Schmid geht diese Begründung an der Realität vorbei. „Der Eindruck drängt sich auf, dass Mappus in Wirklichkeit an der Aufarbeitung der NS-Geschichte in Württemberg und Baden gar nicht interessiert ist.“

Zwar sei die NS-Geschichte auf lokaler und regionaler Ebene in vielen Fällen gut dokumentiert, oft genug durch die Arbeit Ehrenamtlicher. Aber gerade das jüngst von engagierten Bürgern in Stuttgart herausgegebene Buch über NS-Täter in Württemberg und Baden dokumentiere eindrucksvoll, dass es über die Herrschaftsausübung staatlicher Stellen in Württemberg und Baden noch sehr viele weiße Flecken in der Forschungslandschaft gebe, so Schmid. „Gerade die Forschung über die Täter lässt im Land noch sehr zu wünschen übrig.“

Die SPD-Landtagsfraktion fordert deshalb gemeinsam mit der SPD-Gemeinderatsfraktion in der Landeshauptstadt die Errichtung eines NS-Dokumentationszentrums im neuen Quartier am Stuttgarter Karlsplatz. Die Landesregierung solle dafür einen wissenschaftlichen Beirat berufen und damit beauftragen, zusammen mit den zuständigen Gremien von Land und Stadt, den zuständigen Institutionen sowie unter Beteiligung engagierter Bürger ein wissenschaftlich fundiertes Konzept für ein solches Zentrum als Gedenk-, Lern- und Forschungsort am authentischen Ort der ehemaligen württembergischen Gestapo-Zentrale „Hotel Silber“ in der Dorotheenstraße 10 vorzulegen.

Die SPD-Fraktion fordert, dass auf ungefähr 2000 Quadratmetern insbesondere die NS-Vergangenheit der Länder Baden und Württemberg mit ihren staatlichen und politischen Strukturen (Regierung, Verwaltung, Polizei, Justiz, Sondergerichte in Mannheim und Stuttgart) sowie deren Beitrag zu den Verbrechen des NS-Staates dokumentiert und anschaulich präsentiert werden.

Schmid weist darauf hin, dass sich im Stuttgarter Gemeinderat neue Mehrheiten ab-zeichnen für ein zentrales NS-Dokumentationszentrum. Der von Land und Landeshauptstadt angekündigte besondere Gestaltungswettbewerb für das Quartier am Karlsplatz müsse deshalb dazu genutzt werden, die Planungen für einen solchen Gedenk-, Lern- und Forschungsort am authentischen Ort engagiert voranzutreiben. “Wir müssen uns unserer Verantwortung für die Geschichte stellen. Dem kann sich auch die Landesregierung nicht entziehen“, erklärt Schmid.