"Wir werden Partei und Fraktion ganz eng verzahnen"

Veröffentlicht am 19.01.2008 in Pressemitteilungen

Ute Vogt im Interview mit der Pforzheimer Zeitung vom 19. Januar 2008 über ihre künftige Arbeit als SPD-Landesvorsitzende

Pforzheimer Zeitung: Frau Vogt, was bedeutet der Verlust des Fraktionsvorsitzes für die Politikerin Ute Vogt?

Ute Vogt: Es klingt vielleicht seltsam - aber es bedeutet im Grunde mehr Freiheit für inhaltliche politische Arbeit. Denn als Fraktionsvorsitzende war ich zuletzt fast nur noch damit beschäftigt, meine eigene Person zu verteidigen. Das ist nun nicht mehr notwendig.

PZ: Das klingt ja fast so, als seien Sie froh darüber, dass Sie Macht abgeben mussten.

Vogt: Manchmal gewinnt man mehr Einfluss, indem man etwas abgibt, als wenn man krampfhaft daran festhält. Wenn man keine Bewegungsfreiheit mehr hat, dann ist es schwierig, Macht anzuwenden. Ich habe durch diesen Schritt wieder mehr Einflussmöglichkeiten geschaffen.

PZ: Es wird schon gemunkelt, dass die Aufgabe des Fraktionsvorsitzes der Anfang vom Ende Ihrer politischen Karriere sein könnte?

Vogt: Ich habe nicht vor, meine Arbeit einzustellen. Ich habe ja den Landesvorsitz wieder erkämpft und auch mit gutem Ergebnis wieder erhalten. Insofern habe ich genug Aufgaben.

PZ: Sie denken also nicht über ein Leben ohne Politik nach?

Vogt: Nein. Vergangenes Jahr im Sommer habe ich darüber nachgedacht, einen klaren Schnitt zu machen. Dann habe ich mich aber entschieden, um den Landesvorsitz zu kämpfen. Das habe ich getan und das bedeutet, dass ich weiter mache.

PZ: Ist für Sie überhaupt noch ein Leben ohne Politik vorstellbar?

Vogt: Ja. Dass sollte man sich immer vorstellen können, weil man nicht in eine Abhängigkeit geraten darf, auf jeden Fall weiter machen zu müssen. Ich erlebe das bei manchen Kollegen, die gar nicht anders können, als Politik zu machen.

PZ: Sie sind 2005 freiwillig aus dem Bundestag ausgestiegen. Haben Sie es mittlerweile bereut, in die Landespolitik gewechselt zu sein und dafür Ihr Mandat im Bundestag geopfert zu haben?

Vogt: Es hat wenig Sinn, dies im Nachhinein zu beurteilen. Ich habe mich so entschieden. Die falsche Weichenstellung war sicher im Jahr 2001. Damals hätte ich in einem größeren Wahlkreis kandidieren sollen, konkret: im Enzkreis. Dann wäre ich schon 2001 in den Landtag gekommen. Und dann hätte der Schritt in die Landespolitik einen ganz anderen Verlauf genommen als 2006, als ich für viele als eine "Von-Außen-Kommende" empfunden wurde.

PZ: Könnten Sie sich mittelfristig eine Rückkehr in den Bundestag vorstellen?

Vogt: Sie liegt nicht in meiner Lebensplanung. Ich möchte nicht für den Bundestag kandidieren, weil mir das vorkäme, als würde ich nochmals meinen Lebenszirkel von vorne beginnen.

PZ: Sie haben in den vergangenen zwei Jahren sowohl von den eigenen Parteifreunden als auch von den Medien herbe Kritik einstecken müssen. Wie sehr hat das den Menschen Ute Vogt mitgenommen?

Vogt: So etwas nimmt einen schon mit. Aber ich habe das Glück, von meinem Elternhaus mit einem großen Selbstwertgefühl ausgestattet worden zu sein. Man muss sich immer wieder klar machen, dass nicht unbedingt der Mensch gemeint ist und dass ich als Person nicht so angegriffen worden wäre, wenn ich nicht ein bestimmtes Amt gehabt hätte. Geholfen haben mir dabei viele Freunde, auch politische Freunde - gerade, als es schwierig war. Aber geholfen hat mir auch, dass mich Bürger auf der Straße in Pforzheim oder dem Enzkreis ansprechen und sagen: "Schön, dass ich Sie sehe - lassen Sie sich nichts gefallen von denen in Stuttgart!"

PZ: Hat Sie die Kritik verändert?

Vogt: Es hat sicherlich bei mir eine gewissen Distanz zu dem ganzen politischen Betrieb ausgelöst, weil ich die Art und Weise, wie man in der Politik mit Menschen umgeht, zunehmend kritisch sehe. Ich denke, wir sind gefordert, im Verhalten untereinander viel mehr Vorbild zu sein. Das beziehe ich nicht nur auf die Konflikte innerhalb der Parteien, sondern auch auf den Streit zwischen den Parteien. Ich empfinde es zunehmend als abschreckend, was beispielsweise die große Koalition in Berlin im Moment abzieht.

PZ: Mal Hand aufs Herz: Ihr Nachfolger im Fraktionsvorsitz Claus Schmiedel war sicherlich nicht Ihr Wunschkandidat?

Vogt: Ich habe vor der Wahl nicht empfohlen, wer zu wählen ist, und werde nach der Wahl auch nicht erklären, wen ich gewählt habe. Ich hätte nach meinem Amtsantritt als Fraktionschefin gerne Claus Schmiedel als parlamentarischen Geschäftsführer gehabt, weil ich glaube, wir wären eine gute Kombination gewesen. Er hat Stärken im Angriff, die mir fehlen. Er kann prima die politische Keule auspacken. Das ist weniger mein Stil.

PZ: Diese Keule haben Sie aber doch auch selbst gespürt?

Vogt: Nein. Claus Schmiedel war nicht bei denen, die sich permanent über mich beschwert haben. Er war meines Wissen auch nicht unter denen, die sich über die Medien Luft über mich gemacht haben. Er hat vielmehr das persönliche Gespräch gesucht. Deshalb glaube ich, dass wir uns gut ergänzen und gut zusammenarbeiten werden.

PZ: Mit 20 zu 18 hat sich Schmiedel gegen den 22 Jahre jüngeren Nils Schmid denkbar knapp durchgesetzt. Was hat Schmiedel, was Schmid nicht hat?

Vogt: Er ist zweifelsohne jemand, der gegenüber dem politischen Gegner sehr offensiv und kämpferisch auftritt. Ich bin sicher, gerade aufgrund des knappen Ergebnisses, dass er und Nils Schmid gemeinsam mit Katrin Altpeter ein gutes Team sind.

PZ: Das heißt, Sie fürchten keine dauerhafte Spaltung der Fraktion durch das sehr knappe Ergebnis?

Vogt: Nein, weil die Fraktion zwei Jahre lang erlebt hat, was es bedeutet, wenn man sich nur mit sich selbst beschäftigt. Die Fraktion weiß, dass sie sich so etwas nicht noch einmal leisten darf.

PZ: Die CDU hat die Wahl Schmiedels als "Generationenwechsel rückwärts" bezeichnet - wohl nicht von der Hand zu weisen?

Vogt: Die CDU sollte da nicht so ihren Mund aufreißen, sondern mal in die eigenen Reihen schauen. Die wären froh, wenn sie so viele gute junge Leute hätten wie wir.

PZ: Was muss Schmiedel bei der Führung der Fraktion anders machen als Ute Vogt?

Vogt: Er hat den Vorteil, dass er die Fraktion und ihre einzelnen Mitglieder persönlich besser und länger kennt als ich. Er kann deshalb besser auf die Wünsche einzelner Abgeordneter eingehen, als ich das vermocht habe.

PZ: Ist er der Mann, der die SPD in Baden-Württemberg aus der Krise und dem 25-Prozent-Loch holt?

Vogt: Das schafft nie einer allein. Aber er wird als Fraktionsvorsitzender einen Baustein dazu beitragen. Den anderen Teil haben wir im Landesverband und die ganze Partei in Vorbereitung der Kommunalwahlen 2009 zu bringen.

PZ: Wie viel Einfluss bleibt für Sie in der Fraktion übrig?

Vogt: Ich habe in der Fraktion nach wie vor eine gewichtige Stimme. Das hat auch Claus Schmiedel nach der Wahl betont. Wir werden Partei und Fraktion ganz eng verzahnen.

PZ: Könnten Sie sich Schmiedel als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2011 vorstellen?

Vogt: Ich kann mir vieles vorstellen. Sicherlich wäre auch er in der Lage. Es gibt in der SPD jede Menge Leute, die besser sind als Günther Oettinger.

PZ: Wie sieht's mit Ihnen selbst aus: Haben Sie Ambitionen für eine dritte Spitzenkandidatur in Folge?

Vogt: Wir haben gesagt: Es darf keiner nein sagen. Und deshalb sage auch ich nicht nein. Wir entscheiden 2009 nach der Bundestagswahl.