Regierungsprogramm der SPD Baden-Württemberg 2016 bis 2021

Baden-Württemberg: sicher und gerecht

Baden-Württemberg ist ein ausgesprochen sicheres Bundesland. Wir haben eine der niedrigsten Kriminalitätsraten deutschlandweit und belegen auch bei der Aufklärungsquote von Straftaten einen Spitzenplatz. Damit das so bleibt, haben wir Polizei und Verfassungsschutz gestärkt und neue Mittel für die Terrorbekämpfung bereitgestellt. Für ein gerechtes Baden-Württemberg sorgen wir dafür, dass die Aufgaben der Justiz, der Rechtspflege und des Strafvollzugs in staatlicher Hand bleiben.

Sicher in Baden-Württemberg – Polizeiarbeit stärken

Garant für die hohe Sicherheit im Land ist unsere Polizei mit ihren Beschäftigten, die Tag für Tag Außergewöhnliches leisten. Gleichzeitig befinden sich die Bedrohungen für unsere Sicherheit im Wandel. Ob neue Formen der Kriminalität oder der Bedarf an personalintensiven Großeinsätzen – unsere Polizei steht vor ständig neuen Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund haben wir eine umfangreiche Polizeistrukturreform durchgeführt und unsere Polizei zukunftsfähig aufgestellt. Wir haben zwölf leistungsfähige Regionalpräsidien geschaffen, Hierarchien verschlankt und Kompetenzen gebündelt. Wir haben neue Stellen geschaffen, mehr Beamtinnen und Beamte für den Polizeidienst bereitgestellt, eine Einstellungsoffensive für die Jahre 2017 und 2018 auf den Weg gebracht und intensiv in die technische Ausstattung investiert. Wir wollen diesen Weg der Modernisierung von technischen Voraussetzungen kontinuierlich fortsetzen. Wir unterstützen eine bedarfsorientierte Beschaffung der Einsatz-, Kriminal- und Verkehrstechnik sowie eine Verstetigung der dafür erforderlichen Finanzmittel.

Auch in Zukunft werden wir die Entwicklungsstrukturen innerhalb der Polizei weiter verbessern. Wir haben einen ersten Einstieg in die zweigeteilte Laufbahn geschafft, der nun kontinuierlich fortgesetzt wird. Um das Ziel mit der nächsten Legislaturperiode abzuschließen, sollen ab 2018 nur noch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für den gehobenen Dienst ausgebildet werden.

Unser Ziel ist es, die zweigeteilte Laufbahn bis zum Jahr 2021 vollständig umzusetzen. Um die zunehmende Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten zu reduzieren, wollen wir für die Polizei die BodyCam (Einsatz einer körpernah getragenen Kamera) als Modellversuch einführen, der evaluiert werden soll. Bei Demonstrationen oder anderen Großereignissen werden wir die anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einführen. Als Partei der guten Arbeit werden wir die Umsetzung in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften gestalten.

Ferner streben wir weiterhin die Einführung eines Ausbildungsberufes der/des Polizeifachangestellten an und wollen die Stellenstruktur im polizeilichen Nichtvollzug optimieren. Bei den schon bestehenden Arbeitsverhältnissen sind wir bestrebt, die Berufsbezeichnung Polizeifachangestellte einzuführen. Wir behalten die Gesundheit der Beamtinnen und Beamten im Blick und werden das Gesundheitsmanagement bei der Polizei sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessern, sodass Beamtinnen und Beamte den wachsenden Aufgaben ihres anspruchsvollen Berufs dauerhaft gewachsen bleiben können. Die gleiche Fürsorge gilt für unsere Tarifbeschäftigten.

Wir sind davon überzeugt: Sei es im Hinblick auf Fremdsprachenkenntnisse oder das Gespür für unterschiedliche Mentalitäten – eine Polizei, die die Vielfalt unserer Gesellschaft auch personell widerspiegelt, ist bürgernäher und leistungsfähiger. Deshalb wollen wir weiterhin möglichst viele Migrantinnen und Migranten für den Polizeidienst gewinnen. Dafür haben wir die Nachwuchswerbung in einer Kooperation zwischen Innen- und Integrationsministerium intensiviert. Mit Erfolg: Aktuell haben über 20 Prozent der Polizei-Anwärterinnen und -Anwärter einen Migrationshintergrund – ein absoluter Spitzenwert in Deutschland. In der kommenden Legislaturperiode wollen wir die Anzahl der Beschäftigten mit Migrationshintergrund dauerhaft auf hohem Niveau verstetigen.

Terrorismus effektiv begegnen

Bei der Bekämpfung von Terror bewegen wir uns in einem Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit. Gerade der Sozialdemokratie ist die Balance dieser beiden Werte sehr wichtig. Wir möchten diese nicht gegeneinander ausspielen und unsere Sicherheitsstandards nachhaltig sichern. Hierbei kommt der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Damit aus einer abstrakten Gefährdungslage keine konkrete Gefährdung wird, haben wir jeweils unmittelbar nach den Attentaten auf „Charlie Hebdo“ und den nachfolgenden erneuten Anschlägen in Paris zwei Maßnahmenpakete für die Bekämpfung islamistischen Terrors verabschiedet. Insbesondere für eine bessere Beobachtung des Islamismus und zur Auswertung von Telekommunikationsdaten haben wir rund 200 neue Stellen bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz auf den Weg gebracht und investieren in eine bessere Ausstattung unserer Polizistinnen und Polizisten. Außerdem haben wir ein Kompetenzzentrum zur Prävention gegen islamistischen Extremismus gegründet.

Offensiv gegen Wohnungseinbrüche

Für Betroffene ist ein Einbruch immer ein besonderer Eingriff in die engste Privatsphäre mit langen Nachwirkungen. Deshalb haben wir zusammen mit dem Landeskriminalamt eine Koordinierungsstelle zur offensiven Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen eingerichtet. Dabei setzen wir auf modernste Technologien und Methoden wie das sogenannte „predictive policing“. Mit Hilfe der Software „precops“ können die Beamtinnen und Beamten Einbrüchen besser vorbeugen und die Bürgerinnen und Bürger vor Schaden bewahren. Auch in Zukunft werden wir uns für eine verstärkte Investition in operative und forensische Kriminaltechnik und Implementierung neuer Technologien unter dem Blickwinkel der Verbrechensbekämpfung einsetzen. Unser Offensivkonzept gegen Wohnungseinbruch, das dem Polizeivollzugsdienst u.a. 226 Personalstellen mehr als geplant zur Verfügung stellt, zeigt bereits erste Erfolge. Eine Trendumkehr zeichnet sich ab und die Aufklärungsquote steigt. Diesen Weg werden wir konsequent fortsetzen, damit Baden-Württemberg eines der sichersten Bundesländer bleibt.

Sicher im Netz

Die Chancen der digitalen Welt nutzen und gleichzeitig die Risiken minimieren – das ist Ziel unserer Netzpolitk. Der rasante digitale Wandel hat weitreichende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Sei es beim grenzüberschreitenden Einkauf im Internet, beim mobilen Zahlungsverkehr oder in sozialen Netzwerken – die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, welche Rechte sie haben, was mit ihren Daten passiert und wie sie diese im Netz besser schützen können. Um die Bürgerinnen und Bürger bei Einkäufen im Internet besser vor Abo-Fallen und anderem Missbrauch zu schützen, haben wir die sogenannte „Button-Lösung“ eingeführt. Damit haben wir neue Transparenz im Online-Handel geschaffen. Ferner haben wir unerbetene Telefonwerbung verboten und wichtige Erfolge im Kampf gegen missbräuchliche Abmahnungen erzielt. Wir werden die Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Internet weiter stärken und Schutzlücken schließen.

Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen

Wir bekämpfen jede Form von Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit allen Mitteln des Rechtstaates. Entsprechend haben wir uns im Landtag dafür eingesetzt, einen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) in Baden-Württemberg und der Umstände des Mordes an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter einzusetzen. Die daraus gewonnenen Ergebnisse werden wir in ein Landespräventionsprogramm gegen Rechtsextremismus einfließen lassen. Wir werden prüfen, ob die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Rechtsextremismus“ notwendig ist. Diese wichtige Aufklärungsarbeit wollen wir auch nach der Landtagswahl fortführen und uns für einen weiteren Untersuchungsausschuss einsetzen. Auf unsere Initiative hat der Landtag ein neues Gremium zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsschutzes eingesetzt und die Voraussetzungen für den Einsatz von V-Leuten gesetzlich verankert. Das NPD-Verbotsverfahren wird von uns aktiv unterstützt.

Auch vor dem Hintergrund der Flüchtlingsaufnahme erleben wir eine Welle rechten Terrors in Deutschland. Schwere Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und fremdenfeindliche Straftraten nehmen zu. Für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass ist kein Platz in Baden-Württemberg. Wir werden alles dafür tun, das Grundrecht auf Asyl zu verteidigen und die Asylsuchenden vor Übergriffen zu schützen. Neben den Mitteln der Strafverfolgung setzen wir auch auf gute Präventionsarbeit, um dem Rechtsextremismus den Nährboden zu entziehen. Wir werden daher das 2014 begonnene Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit verstetigen und unsere gute Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen intensivieren.

Auf die SPD kommt es an! Wir werden:

  • Die zweigeteilte Laufbahn bis Ende 2021 vollständig umsetzen,
  • eine BodyCam für Polizistinnen und Polizisten einführen,
  • eine anonymisierte Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten einführen,
  • einen Ausbildungsberuf der/des Polizeifachangestellten einführen,
  • die Modernisierung der technischen Ausstattung bei der Polizei fortsetzen,
  • zum Kampf gegen Wohnungseinbrüche weiter in neueste Kriminaltechnik investieren,
  • das NPD Verbotsverfahren offensiv unterstützen.

Öffentlicher Dienst: Rückgrat unseres Staates

Der öffentliche Dienst ist das Rückgrat und der Garant einer funktionierenden staatlichen Infrastruktur. Wir wertschätzen die Einsatzbereitschaft und das Engagement der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die tagtäglich hervorragende Arbeit für unser Gemeinwesen leisten. Auch in Zukunft werden wir den Gesprächsfaden mit dem Beamtenbund und dem Deutschen Gewerkschaftsbund nicht abreißen lassen und den partnerschaftlichen Dialog intensivieren.

Das Land als Arbeitgeber steht angesichts der demografischen Entwicklung, der guten Konjunktur und des in einzelnen Branchen bestehenden Fachkräftemangels in starker Konkurrenz zu privaten Arbeitgebern. Im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte und mit Blick auf die künftige Nachwuchsgewinnung werden wir weiter an der Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber arbeiten. Wir wollen die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weiter verbessern.

Der öffentliche Dienst muss durch familienfreundliche Arbeitszeitangebote eine partnerschaftliche Verteilung von Familienaufgaben ermöglichen. Wir werden dafür Sorge tragen, dass der öffentliche Dienst seine Anziehungs- und Bindekraft für junge Menschen behält und motivierten und engagierten Nachwuchskräften auch weiterhin interessante Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Mit der SPD wird es keine strukturellen Einschnitte bei den Versorgungsleistungen geben. Die Absenkung der Eingangsbesoldung werden wir zurücknehmen. Für die kommende Legislaturperiode streben wir an, im Einvernehmen mit den Gewerkschaften eine Vereinbarung zu schließen.

Eine moderne und soziale Justiz

Gerade im Bereich der Justiz tritt der Staat als Träger von Hoheitsrechten auf und hat daher eine besondere Verantwortung. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Private lehnt die SPD ab. Deshalb haben wir die von der Vorgängerregierung beschlossene Teilprivatisierung der JVA Offenburg zurückgenommen und den Forderungseinzug durch eine private Firma beendet und wieder der Landesoberkasse übertragen. Diesen Weg werden wir fortsetzen und in den kommenden fünf Jahren insbesondere auch die Gerichts- und Bewährungshilfe wieder in staatliche Obhut zurückführen. Investor-Staat-Schiedsgerichte im Sinne von Freihandelsabkommen lehnen wir ab. Darüber hinaus stehen wir für den Erhalt einer flächendeckenden Struktur von Einrichtungen der Justiz.

Die Justiz kann nur dann zum Rechtsfrieden beitragen, wenn sie von den Menschen akzeptiert wird und zeitgemäß mit ihnen interagiert. Wir wollen eine Justiz, die modern und auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern kommuniziert. Das heißt, elektronische Kommunikationsmittel sollen eine größere Rolle spielen. Deshalb haben wir die so genannte „E-Justice“ weiterentwickelt und machen unsere Justiz so zum kompetenten Ansprechpartner auch im Netz.

Den eingeschlagenen Weg der Modernisierung werden wir in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen. Dafür werden wir die elektronische Akte einführen, die den Bürgerinnen und Bürgern die Kommunikation mit der Justiz weiter erleichtert. Neben der Weiterentwicklung von E-Justice sorgen wir dafür, dass die Justiz im „richtigen Leben“ der Ansprechpartner vor Ort bleibt und werden die kleinen Amtsgerichte erhalten.

Jugendkriminalität verhindern – Jungen Menschen helfen

Eine der zentralen Aufgaben unserer Justiz in Baden-Württemberg ist es, sich besonders um die jungen Menschen zu kümmern, die drohen, dauerhaft auf „die schiefe Bahn“ zu geraten. Wir wollen die Verstetigung „krimineller Karrieren“ verhindern. Dafür setzen wir im Umgang mit jugendlichen Straftätern auf Prävention und gute Sozialarbeit. Wir haben die „Häuser des Jugendrechts“ in Baden-Württemberg erweitert und ausgebaut. Dort arbeiten Staatsanwaltschaft, Polizei und Sozialbehörden Hand in Hand mit den Jugendlichen, um diese zu stärken. Auch im Jugendstrafvollzug des Landes und im Jugendarrest stärken wir die Jugendlichen mit einem Wohngruppenkonzept und sozialem Training beim sogenannten „Warnschussarrest“. In Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium wurde die schulische Bildung sowie die Aus- und Weiterbildung in den Justizvollzugsanstalten modernisiert. Grundsätzlich ist uns wichtig, dass wir den Jugendstrafvollzug in freien Formen als Alternative zum Gefängnis verstetigen. In der nächsten Legislaturperiode setzen wir uns für einen flächendeckenden Ausbau weiterer Häuser des Jugendrechts ein. Die Justizvollzugseinrichtungen werden wir modernisieren und insbesondere die Therapie- und Arbeitseinrichtungen verbessern.

Verbesserungen im Strafvollzug

Der Justizvollzug muss sicher bleiben. Im Hinblick auf das bestürzende Ereignis in der JVA Bruchsal im August 2014 wurde auf Initiative des SPD-Justizministers eine Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen eingesetzt, die wertvolle Handlungsempfehlungen gegeben hat, um den Justizvollzug in Baden-Württemberg für die wachsenden Herausforderungen gut aufzustellen. 2015 wurde bereits ein erstes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Ausgehend von diesen Empfehlungen werden wir uns dafür stark machen, auch die weiteren notwendigen strukturellen Verbesserungen schrittweise umzusetzen.

Auf die SPD kommt es an! Wir werden:

  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst weiter verbessern,
  • die Absenkung der Eingangsbesoldung zurücknehmen,
  • dafür sorgen, dass die hoheitlichen Aufgaben von Justiz, Rechtspflege und Strafvollzug in öffentlicher Hand bleiben,
  • die kleinen Amtsgerichte erhalten,
  • im Umgang mit jugendlichen Straftätern auf Prävention und gute Sozialarbeit setzen und die Häuser des Jugendrechts weiter ausbauen.